Erinnerung an die Verfemten
Thüringische Landeszeitung
Musik in der Retrospektive, fest verankert in den fernen 20-er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit seiner unorthodox befreit wirkenden Aufbruchstimmung - das bot das Konzert des Klenke-Quartetts Weimar im Kubus der Anna-Amalia-Bibliothek. Verfemte Musik von jüdischen Komponisten, die in jenen Jahren bei uns studiert, gearbeitet, gelehrt haben, dann auf Befehl der Nazis vertrieben, verhaftet, gefoltert und ermordet wurden, erinnerten mit ihren Werken an die Unmoral von damals.
Obwohl die meist kurzen, konzentriert ausgeführten Werke dem Hörer nicht immer entgegenkamen und obwohl der atonalen und der Zwölftonmusik auch heute oftmals noch nur mit großer Distanz begegnet wird, vermochten Annegret Klenke, Beate Hartmann, Yvonne Uhlemann und Ruth Kaltenhäuser gemeinsam mit ihrem hochkarätigen Gast Kolja Lessing durch perfektioniert musikalisches, übersichtlich organisiertes Spiel und spürbarer, keinesfalls aufdringlicher innerer Beteiligung die den Werken immanente Sprödigkeit in engen Grenzen zu halten. Die vier Sätze von Gideon Klein wirkten wie schwer zu bändigende, exzentrische Wutausbrüche und das "Portrait of Vincent van Gogh at the Age of 27", ein für Solo-Violine und Streichquartett komponiertes Gedankenspiel von Abel Ehrlich, wie schwerblütig auf der Stelle tretend. Die "Aphorismen für Solo-Violine", das jüngste Werk (2009) der 88-jährigen Ursula Mamlok und vom Widmungsträger Lessing mit Sinn für kontrastierende Schattierung lebensvoll inspiriert gespielt, entpuppten sich als intime Selbstgespräche.
Die Sonate G-Dur für Solo-Violine von Paul Ben-Haim lebte als einziges Werk von starken, aber hintergründigen Bindungen an jüdische Folklore. Gemeinsam mit den fein gearbeiteten, anregenden beiden Aperçus "Two Bagatels" nochmals von Mamlok, traf sie am unmittelbarsten auf das Gemüt des Hörers. Aber um ganz ehrlich zu sein: Auch daran hatten sicher die Ausführenden den allergrößten Anteil.