Alarm zur "Pathétique" in Weimar
Thüringer Landeszeitung
Der Kammermusik hat sich Tschaikowsky nur sehr selten zugewandt. Elf Jahre liegen zwischen dem Quartettsatz B-Dur, mit dem er sich die Gesetzmäßigkeiten des Streichquartetts zu eigen machen wollte, und dem dritten und letzten seiner Quartette in es-Moll, dem ganz persönlich geprägten Meisterwerk, das als Beispiel gilt für den nunmehr ausgereiften Kompositionsstil. Das Klenke-Quartett [...] hatte beide Werke im Kubus der neuen Anna-Amalia-Bibliothek für eine Hommage an Tschaikowsky ausgewählt und ergänzt durch Lesungen aus dem Roman "Symphonie Pathétique" von Klaus Mann. Hier war David C. Brunners mit geschmeidiger, bedächtiger Stimme, insgesamt aber mit großer Ausdrucksdichte ein beredter Partner. Es mag Programm der Interpretation gewesen sein, Abstand zu halten zu jeder Art von russischem Pathos, dafür jedoch die oft betonten, auch allgemein geschätzten und bekannten frankophilen Abhängigkeiten herauszustellen. Während sie in dieser Lesart dem Fluidum des Eingangssatzes in seiner verspielten Großflächigkeit nachgingen, mit herrlicher Korrespondenz der Stimmen und staunenswertem tonlichen Ineinandergreifen der Instrumente, schien dann im Quartett ein Umdenken gefordert zu sein hin zu mehr klanglichem Pathos in Melodie und Harmonie. Doch bevor sie diese Fähigkeit unter Beweis stellen konnten, heulte eine Sirene auf. Eine Stimme rief: " Feueralarm! Bitte verlassen sie den Raum!" Als alle ungläubig zögerten, nochmals die Stimme: "Es ist wirklich ernst!" Alsbald fanden sich alle, Solisten in Roben und Publikum in Mänteln, im Hof wieder und beobachteten die Feuerwehr, die sich an der Hausecke gegenüber der Bastille zu schaffen machte. [...]